Cuba Libre (7.Teil)

„Sandy, Sandy, Sandy“, schnalzte Linda kopfschüttelnd, als sie ihre Cocktails von Juanito vorgesetzt bekamen. Während alle drei einen Cuba Libre vor sich auf den Tisch stehen hatten, war Sandy diejenige, die einen Che Guevara vor sich hingestellt bekam.

„Ihr wisst, dass ich der süße Typ bin. Außerdem habe ich versucht, wenigstens thematisch zu euch zu passen“, verteidigte sich Sandy. Jules hob als Erste ihr Glas.

„Ich würde mal sagen auf uns und auf ein freies Kuba“, sprach Jules ihren Trost des Abends aus. Die anderen erhoben ebenfalls ihr Glas und stießen mit ihr gegenseitig an.

Naomis leopardenmusterlackierten Fingernägel tippten wild an dem Glas ihres Cuba Libres rum, während sie in der Bar Ausschau hielt.

„Was ist denn bei dir los?“, fragte Linda erstaunt. Naomi blickte sie an.

„Ich habe mich letzte Woche, nachdem ihr weg wart, noch mit Juanito unterhalten“, setzte Naomi ihre Erzählung an.

„Wer ist Juanito?“, fragte Jules irritiert.

„Der Kellner, der uns immer die Getränke bringt“, erklärte Naomi.

„Auf jeden Fall habe ich ein bisschen meine Krallen ausgefahren, doch es ließ ihn komplett kalt. Ungebunden und nicht interessiert. Habe ich etwa meinen Charme verloren?“ Sofort schüttelten alle synchron den Kopf. Naomi verdrehte immer alle Männer die Köpfe.

„Dann gibt es nur zwei Erklärungen. Die Erste: er ist homosexuell. Dagegen sprechen jedoch einige Indizien.“

„Was für Indizien?“, fragte Sandy.

„Mein Radar sagt Nein. Und er hat den anderen gutaussehenden Typen, der neben uns an der Bar stand komplett ignoriert. Im Gegensatz zu mir. Der ist noch später mit zu mir gefahren.“

„Naomi“, rief Sandy empört. Naomi lächelte leicht mit einem Schulterzucken.

„Das brachte mich auf die zweite Erklärung. Er steht auf eine Andere.“

„So oder so. Wenn er es dir nicht sagt, werden wir es wohl nie erfahren. Eine von vielen Sachen, die ich niemals wissen wollte“, kommentiere Linda genervt.

„Alles in Ordnung bei dir?“ Jules schaute Linda genauer an.

„Max hat sich gemeldet. Er will sich privat mit mir treffen und reden“, erzählte Linda und rührte mit ihrem Strohhalm im Glas rum.

„Wann trefft ihr euch?“, fragte Jules weiter.

„Ich weiß nicht mal, ob ich mich mit ihm Treffen will.“ Linda nippte einen großen Schluck.

„Du solltest dich mit ihm treffen. Was auch immer er dir zu sagen hat, lass ihn dir das sagen“, gab Naomi ihr den Ratschlag.

„Du meinst, so wie der Kellner dir alles sagt?“, stachelte Linda. Naomi atmete kurz flach ein.

„Linda, du musst mich nicht gleich angreifen. Ich will dir nichts Böses“, sagte Naomi mit ruhiger, aber bestimmter Stimme. Linda schaute sie mit ihrem Dackelblick an.

„Tut mir leid. Ich weiß, dass du nichts dafürkannst. Ich wünschte nur mein Liebesleben wäre gerade so unkompliziert wie deins“, erklärte Linda entschuldigend.

„Kein Problem. Das wird schon wieder.“ Naomi lächelte aufmunternd Linda zu. Linda nickte ihr dankbar entgegen. Zusammen tranken sie ihre Cocktails weiter aus.

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Der Riss

Ich erinnerte mich, wie ich auf dem feuchten Boden der U-Bahnstation ausrutschte. Mein Po rodelte herunter. Das Karnevalsbier klebte an meiner Hose. Als ich auf mein Handy sah, welches ich während meines rutschigen Manövers in der Hand hielt, sah ich ihn. Den Riss. Er durchschlängelte sich an der unteren, linken Ecke meines Handys. Eine Entscheidung, ein Riss.

Ein Jahr später. Ich kramte meinen Laptop aus der Tasche. Als ihn aus der Tasche kramte, sah ich ihn oben Links. Den Riss. Eine Entscheidung, ein Riss.  

Zwei Zeitpunkte. Ein Blick. Eine Frage. Ich starre den Riss an. Er stört mich. Irgendwann vergesse ich ihn. Er verschwindet aus meinem Blickfeld. Auch wenn er noch da ist. Er ist immer da. Nur nicht in meinem Wahrnehmungsfeld. Er verschwindet in der Nicht-Wahrnehmung. Eine Entscheidung, ein Riss. Dieselbe Frage. Den ersten Riss kittete das Schicksal. Der zweite Riss steht in den Sternen.

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Tequila Sunrise (6. Teil)

„Du hast was?“ Sandy bekam kurze Schnappatmungen. Auch Naomi und Linda hielten für einen kurzen Moment den Atem an.

„Ich habe meinen Job gekündigt“, erklärte Jules gelassen.

„Aber wieso?“ Naomi versuchte zwanghaft diese neue Information mit ihrem vorherigen Bild von Jules Arbeitsleben abzugleichen. Vergeblich.

„Ich weiß, ihr denkt nur weil ich viel gearbeitet habe und so viel Zeit und Energie in meine Arbeit gesteckt habe, dass ich meinen Job liebe. Aber das tue ich nicht. Habe ich ehrlich gesagt noch nie.“ Der Kellner brachte ihnen vier Tequila Sunrise. Linda griff ohne zu zögern danach und trank sofort einen Schluck, ohne das wöchentliche Anstoßen abzuwarten. Sandy starrte sie irritiert an.

„Den habe ich gebraucht“, verteidigte sich Linda. Dann wandten sich alle wieder zu Jules.

„Aber was willst du stattdessen machen?“, fragte Naomi unverwandt weiter.

„Naja, ihr wisst doch, was ich früher immer so geliebt habe“, setzt Jules an.

„Malen. Ich erinnere mich noch an deine ganzen Bilder“, entgegnete Linda.

„Genau. Ich weiß, es hört sich vermutlich total bescheuert an, aber ich würde nichts lieber machen, als den ganzen Tag zu malen. Das war einfach schon immer mein Traum. Als ich plötzlich nach Japan versetzt wurde, da wurde mir klar, dass ich das nie wirklich wollte. In einem fremden Land mit fremden Leuten und noch dazu einen Job, den ich nur ganz okay finde, aber nie mein Herz auf diese Weise höherschlagen lässt. Also habe ich gekündigt und habe seitdem schon drei Bilder gemalt. Gerade suche ich eine Galeristin, die mir hilft mich mit meiner Kunst selbstständig zu machen.“ Also Jules von ihrem neuen Lebensentwurf erzählte, leuchteten ihre Augen. Und obwohl die drei Freundinnen zuerst verhalten reagiert hatten, sahen sie ihre beste Freundin das erste Mal wirklich glücklich.

„Du wirst eine wundervolle Künstlerin. Ich will auf jeden Fall eine Karte für deine erste Ausstellung.“ Euphorisch umarmte Sandy Jules, die versteinert dort sitzen blieb, da sie mit einem solchen Überfall nicht gerechnet hatte.

„Ist da jemand etwa sehr glücklich?“, merkte Naomi an.

„Ich? Ich freue mich einfach für meine beste Freundin. Das ist alles“, wehrte Sandy ab. Naomi grinste breit.

„Okay, okay. Es könnte sein, dass das mit Nick und mir etwas Ernsthaftes wird. Ich habe vorgestern seine Eltern kennengelernt und morgen fahren wir für zwei Tage aufs Land“, gab Sandy zu, während ihre Wangen leicht erröteten.

„Oho“, tönte Naomi.

„Genug von mir. Was ist mit dir, Linda?“, wechselte Sandy das Thema.

„Ich halte mich von jeglichen Männern fern. Naomis wohl weisester Ratschlag.“ Linda blickte anerkennend in Naomis Richtung.

„Danke, dass Orakel spricht immer gerne kluge Weissagungen aus“, lächelte Naomi.

Dann tranken sie in Ruhe ihren Tequila Sunrise aus.

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6. Brief an die Liebe meines Lebens

Liebe meines Lebens,

ich habe das Gefühl dir zu sehr hinterherzujagen. Du erscheinst mir wie ein dahinflatternder Schmetterling, den ich einfach nicht einfangen kann. Am Ende stehe ich bei jedem Versuch mit leeren Händen da. Vielleicht sollte ich, statt dir nachzujagen, mich einfach hinsetzen und abwarten. Vielleicht kommst du dann von alleine auf mich zugeflogen. Vielleicht setzt du dich dann auf meine äußere Handfläche, wenn ich sie dir vorsichtig entgegenhalte. Und ganz vielleicht betrachte ich am Ende die Art von Schönheit, der ich immer hinterherjagt bin.

Ich habe mich schon immer zu oft an verlorene Hoffnung geklammert. Habe mich in Dingen, Menschen verloren, statt einfach meinen eigenen Weg zu gehen. Immer wenn ich nach Liebe gesucht habe, kam ich ein Stückchen mehr von meinem Weg ab. Wenn du mir jetzt über den Weg laufen würdest, dann kann ich dir nicht sagen, ob ich dich erkennen würde. Man sagt manche Leute werden von der Liebe blind, doch ich habe das Gefühl blind vor der Liebe zu sein. Ich traue meinen Gefühlen nicht. Aus Angst eine falsche Entscheidung zu treffen, treffe ich lieber gar keine Entscheidung.

Ich weiß, ich kann dich nicht suchen. Ich weiß aber, dass du mich finden kannst. Also werde ich mich einfach hinsetzen und warten. Es wird kein quälendes, sehnsuchtsvolles Warten sein, sondern ein Warten bei dem ich die Augen schließe, die warmen Sonnenstrahlen genieße, den Duft einer frischen Blumenwiese einatme und wer weiß, vielleicht lässt sich schneller als ich dachte ein Schmetterling vor mir nieder.

In Liebe

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Mojito (5. Teil)

„Auf uns!“, verkündete Jules, während sie ihre Gläser erhoben und anstießen. Als sie tranken, verzog Sandy keine Miene.

„Diesmal ist es nicht ganz so ekelhaft“, stellte Sandy fest. Sie war nicht ganz überzeugt, trank aber trotzdem weiter.

„Wie geht es dir? Schon was von Jack gehört?“, fragte Jules Linda. Linda zuckte mit den Schultern. Sie blickte leer drein.

„Jack hat sich seit dem Abend nicht mehr gemeldet. Ich möchte nicht weiter drüber reden.“ Die anderen nickten verständnisvoll.

„Also ich bin kurz davor den Kellner doch noch zu vernaschen. Er wird von Woche zu Woche unwiderstehlicher“, merkte Naomi an und sah dabei in Richtung Bar, wo der Kellner Cocktails mixte.

„Gönn dir“, lachte Jules.

„Ich habe mich mit Nick getroffen“, platzte Sandy raus. Alle schauten sie neugierig an.

„Nick?“, fragte Naomi.

„Jaaa. Wir haben uns über diese Dating-App kennengelernt“, fing Sandy an zu erzählen.

„Moment, du hasst Dating Apps“, warf Naomi ein.

„Ich bin über meinen Schatten gesprungen. Er ist wirklich toll. Bei unserem ersten Date hat er mir Tortellini alla Panna gekocht und außerdem hat er dieses süße Grübchen, wenn er lächelt“, schwärmte Sandy.

„Und wie ist er…?“, deutete Naomi an.

„Untersteh dich. Wir hatten nicht einmal einen Abschiedskuss“, verteidigte sich Sandy.

„Schätzchen, du hast definitiv den Sinn von Dating-Apps missverstanden“, erklärte Naomi kopfschüttelnd.

„Da muss ich Naomi recht geben. Denkst du wirklich, du findest dort die große Liebe, die du dir so sehr ersehnst?“, fragte Jules mit einem leicht ironischen Unterton.

„Jetzt gönnt mir doch wenigstens meine Illusion. Vielleicht ist Nick nicht die Liebe meines Lebens, aber ich verbringe gerne Zeit mit ihm, okay? Ihr wisst genau wie schwer es war.“ Sandy spielte auf ihre Trennung ihrer ersten großen Liebe an.

„Das ist fünf Jahre her! Ihr wart nur ein halbes Jahr zusammen“, meldete sich Linda zu Wort.

„Trotzdem tat es weh, okay? Ich bin einfach froh, wieder jemanden in mein Leben zu lassen“, erläuterte Sandy ihre Gefühle.

„Ich finde, du hättest ihn trotzdem flachlegen können. Da unten muss sicherlich schon alles verstaubt sein.“ Sandy verdrehte nur die Augen über Naomis anzüglichen Kommentar.

„Halt uns gerne auf den Laufenden, wenn sich daraus mehr entwickeln sollte“, sagte Jules. Dann tranken sie weiter ihren Mojito.

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Whiskey Sour (4. Teil)

„Mädels, dieser Abend wird legendär“, verkündete Jules, während sie ihren Whiskey Sour als Erste in die Höhe hielt.

„Hab ich was verpasst?“, fragte Sandy irritiert.

„Meine Beförderung“, verkündete Jules. Sie arbeitete nun schon seit Jahren in einer Telekommunikationsfirma und versuchte sich immer wieder hochzuarbeiten, was bis jetzt aber nur kleinschrittig vonstattengegangen war.

„Herzlichen Glückwunsch!“, freute sich Naomi. Auch die anderen fielen in die Glückwünsche ein.

„Darauf sollten wir wirklich erstmal anstoßen“, erhob Linda freudig ihr Glas. Sie stießen alle ihre Gläser miteinander an.

„Ich bleibe eindeutig bei süß.“ Sandy verzog kurz nach ihrem ersten Schluck direkt wieder das Gesicht. Ohne, dass Linda etwas sagen musste, schob Sandy sofort ihr Glas zu ihr hin. Linda hob anerkennend die Augenbraue.

„Genug von mir. Linda, wie sieht mit deinem Liebesleben aus?“, wechselte Jules das Thema. Bevor Linda antwortete, rief Sandy den Kellner herbei. Sandy warf ihr einen kurzen entschuldigenden Blick zu, aber Linda atmete kurz auf.

„Könnte ich bitte einen Sex on the beach haben?“, fragte Sandy denselben Kellner, der ihren Tisch bereits die letzten drei Wochen bediente.

„Natürlich“, nickte er ihr zu.

„Sie steht nicht so auf die richtig, harten Sachen“, zwinkerte Naomi ihm zu. Er lächelte, doch es war ein höfliches, zurückhaltendes Lächeln. Dann verschwand er.

„Den krieg ich noch rum“, erklärte Naomi. Anschließend blickten alle wieder Linda an.

„Jack ist gestern früher wiedergekommen. Er hat am Telefon gemerkt, dass etwas nicht stimmte. Als er gestern nach Hause kam, habe ich ihm sofort die Wahrheit gesagt“, erzählte Linda mit Blick in ihr Whiskey Glas gerichtet.

„Er hat sofort die Flucht ergriffen und mir geschrieben, er sei bei Martin, seinem besten Freund. Er brauche Zeit für sich und meldet sich, wenn er so weit ist.“ Linda so unglücklich zu sehen, schmerzte die drei Freundinnen.

„Was ist mit Max?“, fragte Sandy nach.

„Von dem habe ich seit unserer gemeinsamen Nacht nichts mehr gehört. Auf der Arbeit geht er mir ständig aus dem Weg oder stellt nur zwischendurch beiläufig eine Frage. Ehrlich, ich habe keine Ahnung, was ich machen soll.“ Linda wischte sich heimlich eine Träne weg, in der Hoffnung niemand würde es sehen, doch sie alle drei sahen sie an.

„Du solltest dich einfach auf dich konzentrieren. Kein Mann, absolutes Männerverbot. Nur du. Und natürlich wir.“ Naomi zeigte aufmunternd in die Runde. Kurz huschte ein Lächeln über Lindas Gesicht.

„Das kommt von dir?“, neckte Linda sie. Auch die anderen waren erstaunt.

„Allgemein bin ich immer dafür zu vögeln, aber hier haben wir es mit einer bereits aufgeladenen Situation zu tun und du würdest bei deinem aktuellen Zustand sofort in einer Rebound-Beziehung landen“, erklärte Naomi. Die drei schauten sie erstaunt an.

„Ich habe drei Semester Psychologie studiert, schon vergessen?“, erinnerte Naomi sie.

„Und was bedeutet das alles?“, fragte Linda sie.

„Es bedeutet, dass du dich an den erstbesten Mann binden würdest, der dir über den Weg läufst. Du würdest natürlich denken, dass du total in ihn verliebt bist und uns die Ohren über ihn vollsülzen. Aber in Wirklichkeit würdest du nur deinen Liebeskummer zu Jack damit überdecken wollen, statt dich auf emotionaler Ebene mit der Situation auseinanderzusetzen“, erläuterte Sandy.

„Du hast doch gar keine Psychologie studiert?“, merkte Jules an.

„YouTube-Videos“, erwiderte Sandy.

„Damit hat sie recht“, erklärte Naomi Linda.

„Ich lass die Situation auf sich beruhen und warte erst einmal, ob ich noch einmal ein ruhiges Gespräch mit Jack haben kann. Wenn er bereit dazu ist“, sagte Linda nachdenklich, bevor sie still wurde.

„Was genau machst du jetzt eigentlich auf deinem neuen Posten, Jules? Bist du immer noch in der Hauptverwaltung?“, wechselte Sandy das Thema, während der Kellner ihren Sex on the beach brachte.

„Nein, ich bleibe nicht in der Hauptverwaltung.“ Jules machte kurz eine Pause.

„Sie wollen mich für die Auslandsvermittlung einsetzen. Was heißt, dass ich fünf Monaten nach Japan ziehen werde“, verkündete Jules zurückhaltend. Sandy verschluckte sich an ihrem Cocktail, während Naomi und Linda sie mit aufgerissenen Augen anstarrten.

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Cosmopolitan (3. Teil)

„Wir sind filmreif“, rief Sandy voller Begeisterung, während sie erneut ihre Gläser erhoben. Eine neue Tradition war etabliert.

„Du meinst mit deinem schauspielerischen Talent, wie für unseren Geschichtsfilm damals“, lachte Jules. Linda, Sandy und Jules kannten sich schon aus Schulzeiten. Lediglich Naomi ist ein Jahr nach ihrem Abschluss dazugestoßen. Sie waren zu dritt unterwegs gewesen, als sie Naomi völlig aufgelöst und tränenüberströmt an der Bushaltestelle vorfanden. Sie wurde gerade von ihrem ersten Freund verlassen. Es war das erste und letzte Mal, dass sie Naomi weinen sahen. Heute war es für die drei unvorstellbar, dass Naomi jemanden nachtrauern könnte.

„Geschichtsfilm?“, fragte Naomi mit gespitzten Ohren.

„Wir haben damals in Geschichte einen Film über die Französische Revolution gedreht. Sandys Darbietung über Marie Antoinette war sehr… speziell“, erklärte Linda. Jules musste bei der Erinnerung laut auflachen.

„Sandy lag einfach in der Badewanne und aß eine Schwarzwälder Kirschtorte. Während sie den Satz Dann gebt ihnen Kuchen sagte, lief ihr der halbe Kuchen das Kinn hinunter“, erinnerte sich Jules.

„Ich musste das Kleid dreimal waschen, bis der Fleck raus ging“, erklärte Sandy empört.

„Gott, eure Schulzeit hätte ich gerne gehabt.“ Naomi war auf einer Privatschule gewesen und hatte dort nie wirklich Freunde gefunden. Als arrogante Snobs betitelte sie ihre früheren Mitschüler immer wieder.

„Nachdem wir nun in alten Erinnerungen geschwelgt haben: Was gibt es Neues bei euch?“, wechselte Sandy das Thema. Sie bemerkte, wie Linda sich langsam zurücklehnte.

„Linda? Wie läuft es mit Max?“, bohrte Sandy neugierig nach.

„Wir arbeiten zusammen an einen neuem Beitrag über Fischpediküren“, erklärte Linda sachlich. Doch die anderen bemerkten ihre leicht rot werdenden Wangen.

„Da kommt man sich bestimmt ein wenig näher, bei so einer feuchten Fischpediküre“, stellte Naomi mit ihrer verrucht angehauchten Stimme fest.

„Was zum Teufel ist eine Fischpediküre?“, fragte Sandy verwirrt.

„Wenn du in einem Spa, deine Füße in ein Becken mit Fischen tauchst und diese dann deine Hornhaut von deiner Haut fressen“, erklärte Linda.

„Wie ekelhaft“, bemerkte Jules.

„Ich habe mit ihm geschlafen“, verkündete Linda aus dem Nichts.

„Was? Aber…“ Sandys Augen wurden groß, als sie begriff, dass ihre Freundin gerade verkündet hatte, ihren scheinbar makellosen Freund, der sie mit seiner ständigen Abwesenheit beschenkte, betrogen zu haben. Linda schwieg.

„Warum?“, fragte Jules irritiert. Linda trank ihren Cosmopolitan leer und bat den vorbeigehenden Kellner um noch ein Glas. Als sie wieder zu ihren Freundinnen sah, starrten alle drei sie an.

„Es ist einfach so passiert. Jack ist nie Zuhause. Selbst Wildgänse sind öfters im Jahr zu sehen, als mein Freund. Das ist keine Entschuldigung, aber ich kann das nicht mehr. So tun, als ob alles in Ordnung wäre“, versuchte Linda ihre angestaute Verzweiflung auszudrücken. Sie umrandete mit ihrer Fingerspitze immer wieder ihren Glasrand, bis der Kellner kam, ihr das leere Glas wegnahm und durch ein volles Glas ersetzte.  

„Sag uns, ob es sich wenigstens gelohnt hat.“ Naomi würde am liebsten alle Details in Erfahrung bringen.

„DAS hat sich gelohnt“, erklärte Linda betont zweideutig. Die anderen nickten ihr wohlwissend zu.

„Und was machst du mit Jack?“, fragte Sandy.

„Er kommt nächste Woche aus Botswana wieder und ich werde mit ihm Schluss machen“, verkündete Linda. Ihre Blicke drückten Bedauern aus.

„Auf guten Sex und verflossene Liebe!“, prostete Jules nach einem kurz anhaltenden Schweigen in die Luft. Die anderen erhoben ihre Gläser und stießen erneut an.

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Manhattan (2.Teil)

Der Kellner setzte Naomi, Sandy, Linda und Jules vier Manhattan vor die Nase.

„Warum nennt man einen Cocktail eigentlich nach einem Stadtteil?“, fragte Sandy in die Runde, während sie alle nach ihrem Glas griffen. Statt einer Antwort erhoben die anderen ihre Gläser in die Luft.

„Auf uns!“, verkündete Jules den Prost.

„Auf uns““, stimmten die anderen mit ein. Dann klirrten sie nacheinander gegenseitig ihre Gläser aneinander. Als sie daran nippten, verzog Sandy das Gesicht, wohingegen Jules und Naomi begeistert lächelten, während Linda undurchdringlich trank.

„Der schmeckt wirklich lecker“, stellte Naomi fest.

„Genauso lecker wie der Kellner?“, neckte Jules sie.

„Den habe ich noch nicht probiert“, schmollte Naomi.

„Du lässt doch sonst nichts anbrennen“, kommentierte Linda feststellend in die Runde.

„Ihr tut so, als würde ich jede Woche mit einem Typen schlafen“, rief Naomi empört.

„Entschuldigung, es sind nur alle zwei Wochen“, gab Linda zurück. Jules und Sandy fingen an zu lachen, während Naomi theatralisch die Hände in die Luft hob.

„Also wirklich!“, gab Naomi beleidigt von sich. Doch ein kleines Lächeln, welches ihre Lippen umspielte, verriet ihnen, dass sie den wahren Kern von Lindas Aussage durchaus anerkannte.

„Ich finde den Cocktail ekelhaft“, gab Sandy nach einem weiteren Schluck von ihrem Manhattan von sich.

„Machst du Witze? Der ist super lecker“, widersprach Linda. Sandy schob den Cocktail in ihre Richtung.

„Wenn du willst, kannst du ihn ja gerne trinken“, bot Sandy an. Linda zog ohne zu Zögern den Cocktail zu sich und stellten ihn griffbereit neben den ihren.

„Wie läuft es eigentlich mit Jack?“, fragte Sandy Linda.

„Der ist mal wieder beschäftig. Gerade ist er für drei Wochen in Botswana“, gab Linda von sich, während sie versuchte ihre Verletztheit mit ihrer Coolheit zu überspielen. Doch die drei Freundinnen kannten Linda zu gut, um zu wissen, wie sehr die Abwesenheit ihres Freundes Jacks sie traf. Als Reporter flog er ständig für seine Berichte um die halbe Welt. Während dieser Zeit fühlte sich Linda immer wieder einsam und allein gelassen, auch wenn sie wusste, dass er zurückkam.

„Tut mir leid“, sagte Sandy mitleidig. Linda hob abwehrend die Hand.

„Wie läuft denn dein Job?“, versuchte Naomi das Thema zu wechseln.

„Letzte Woche hat ein neuer Mitarbeiter angefangen. Max“ erzählte Linda. Sie arbeitete ebenfalls in der Fernsehbranche bei einem berühmten Sender, wie ihr Freund Jack. Nur, dass sie hinter den Kulissen die Texte schrieb und meistens vor Ort blieb.

„Wer ist denn dieser Max?“, fragte Jules betont neugierig.

„Max ist ein gutaussehender Neuling mit einer wundervollen Verlobten“, erklärte Linda nüchtern.

„Und trotzdem erzählst du uns von ihm“, beobachtete Jules sie.

„Darf man etwa nicht mal anmerken, dass man jemanden gutaussehend findet, nur weil man vergeben ist. Ich würde ja nie etwas mit ihm anfangen“, verteidigte sich Linda.

„Wo sie Recht hat, hat sie Recht“, stellte Sandy fest.

„Und bei euch Sandy und Jules? Bei dir, Naomi, muss ich ja gar nicht erst fragen.“

„Bei mir alles beim Alten. Hoffnungslose Single-Romantikerin sucht wahre und große Liebe“, verkündete Sandy übertrieben schwärmerisch.

„Ich bin nicht interessiert“, tat Jules desinteressiert ab. Die drei Freundinnen hatten Jules noch nie in einer Beziehung gesehen und auch sonst hielt sie sich mit ihrem Liebesleben bedeckt. Im Gegensatz zu den anderen.

„Auf die Liebe!“, prostete Sandy in die Luft.

„Auf den Sex!“, prostete Naomi ihnen entgegen.

„Ihr habt wirklich Probleme“, kommentierte Jules augenverdrehend. Dann tranken Jules und Naomi jeweils genüsslich ihre Manhattan aus, während sich Sandy eine Cola nachbestellte und Linda bereits ihren zweiten Manhattan wegkippte.

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Sex on the Beach (1. Teil)

Als Jules, Naomi, Linda und Sandy das erste Mal an einem Tisch, der neuen Cocktailbar Highlight in ihrer Stadt saßen, ahnten sie nicht, wie viele Abende sie noch nie hier verbringen würden. Der Kellner brachte ihnen allen einen Sex on the Beach. Ihr erster Cocktail an diesem Abend.
„Was für ein süßes Kerlchen!“, staunte Naomi, nachdem dieser wieder in der Küche verschwunden war.

„Das wundert mich nicht im Geringsten“, kommentierte Linda augenverdrehend.

„Ich stelle nur fest“, verteidigte sich Naomi.

„Du meinst, du stellst fest, dass der arme Kerl die Nacht nicht heil überstehen wird“, lachte Jules. Naomi erhob protestierend die Hand.

„Tu nicht so, wir kennen dein dunkelstes Geheimnis. Aber wir haben dich trotzdem lieb, Männerfresserin“, warf Sandy scherzhaft ein.

„Wie kommt ihr bloß darauf?“, fragte Naomi mit gespielter Unschuld. Alle vier mussten lachen. „Ich bin so froh, dass wir wieder einen Mädelsabend machen. Das hat mir so gefehlt.“ Sandy war gerade frisch getrennt und genoss die einhergehende Freiheit eines Singles nach einer toxischen Beziehung.

„Wir haben uns viel zu lange nicht gesehen. Vor allem nachdem Michael dich in Ketten gelegt hatte. Gut, dass du dich daraus endlich befreit hast“, stellte Linda fest.

„Auf die Freiheit!“, prostete Jules den anderen entgegen. Die anderen erhoben ihre Cocktails und stießen gemeinsam an. Dabei schauten sie sich tief in die Augen, während ihre Gläser laut aneinander klirrten.

„Hey, Naomi! Du hast mir nicht richtig in die Augen geschaut. Du weißt, was das heißt. Sieben Jahre schlechter Sex“, schnaubte Sandy ihr entgegen.

„Armer Kellner“, stellte Jules mitleidig fest. Die anderen fielen in lautes Gelächter ein. Ein paar Gäste schauten irritiert an ihren Tisch, aber sie bemerkten es nicht einmal. Dafür hatten sie viel zu viel Spaß.

Sie nippten alle einen Schluck an ihren Cocktails.

„Mhm“, schlürfte Sandy genießerisch.

„Gute Mische“, bewertete Linda.

„Wir sollten immer hierhin kommen“, schlug Jules vor.

„Aber dann kann ich den Kellner gar nicht vernaschen“, wandte Naomi empört ein.

„Wie wäre es, wenn wir uns jeden Freitag hier treffen und gemeinsam einen neuen Cocktail von der Karte ausprobieren?“, überging Sandy begeistert Naomis Kommentar.

„Und wenn wir alle durchhaben?“, fragte Linda nüchtern.

„Dann fangen wir eben noch einmal von vorne an“, erwiderte Sandy.

„Abgemacht“, hielt Jules fest. Erneut hielt sie ihr Glas hoch. Sie prosteten noch einmal an, um ihre Abmachung zu besiegeln. Dann tranken sie ihren Sex on the Beach weiter.

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5. Brief an die Liebe meines Lebens

Liebe meines Lebens,

ich warte auf dich. Ich möchte mit dir all die kleinen, scheinbar belanglosen Momente teilen, deren Süße dem Leben die Bedeutung geben, die ihm zusteht. Möchte dir all die Gedanken teilen, die ich über die schönen Dinge dieser Welt denke. Wenn ich durch den Schnee stapfe, liebe ich die gedämpfte Stille, das vorsichtige Glitzern, welches in meine Richtung funkelt, die sanften Flocken, die meine Nasenspitze kitzeln und sich in meinen Haaren verfangen. Wie gerne würde ich dir davon erzählen, wenn ich durch den stillen Wald gehe und neben meinen Füßen, auch meine Gedanken neue, verschlungene Pfade gehen. Ich würde dich gerne hören lassen, wie schön ein melodisches Orchesterstück sein kann, wenn es einen in seine eigene Geschichte gefangen nimmt und mitreißt. Es sind all diese kleinen Dinge, die ich dir gerne zeigen würde und ich würde dich fragen, ob du sie auch so siehst. Und ich würde dir gespannt zuhören, welche Dinge dir in dieser Welt auffallen. Welche kleinen, besonderen Sachen du besonders schön findest und wie du versuchst die Schönheit in deine Worte einzufangen.

Ich warte auf den Anfang einer Geschichte. Vielleicht stehe ich schon am Anfang, habe es aber noch gar nicht bemerkt. Die Schwelle, wo eine Geschichte zu Ende ist, während die andere gerade beginnt. Jede Geschichte fängt meist mit getrennten Wegen an, die sich schnell kreuzen. Und ich wünsche mir, dass ich endlich an dem Anfang der Geschichte stehe, an dem ich immer sein wollte. Die Geschichte, dessen Ende mich mit Glück erfüllt. Ich musste mich vor dieser Geschichte erst selbst verlieren, finden und lieben, um bereit für dich zu sein. Und jetzt warte ich. Gebe mich meiner Zeit hin und genieße sie, sehe die Dinge und nehme sie bewusst wahr, damit ich dir eines Tages von diesen Dingen einmal erzählen kann.

In Liebe

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