Die Philosophie der Blätter

Tanzende Blätter fallen von den Bäumen. Mit ihnen falle auch ich. Die sonnige Zeit neigt sich dem Ende und wird durch die düstere Schwere ersetzt.

Wenn ich durch die tanzenden Blätter wandere, empfinde ich Freude und Wehmut. Freude, weil ich die letzten Sonnenstrahlen genieße. Wehmut, weil es die letzten wärmenden Strahlen in diesem Jahr sind. Nur ein sonniger Tag mehr, lauten meine Gebete gen Himmel. Manchmal werden sie erhört, manchmal nicht. Ich gehe durch all das mit offenen Armen, bevor ich sie wieder verschließe wie ein Blatt, welches Photosynthese betreibt. Jedes Blatt muss sich irgendwann vom Leben lösen, damit nach der düsteren, schweren Zeit neues Leben wachsen kann. Von Blättern kann man viel Lernen. Wie man entsteht und wieder vergeht. Als sei das Leben nur ein Jahreszeitenzyklus. Am Ende, kurz vor der ewigen Finsternis, fragt man sich, ob man alles getan, alles erlebt hat, was man wollte. Und dann fällt man einfach ab. Landet im matschigen Boden. Zerfällt in seine Einzelteile. Bis nichts mehr von einem übrig bleibt.

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Sonnenlicht und Regentropfen (Eine Kurzgeschichte)

Das Sonnenlicht umspielte ihre Nase, während das Gras auf dem sie lag, sanft ihre Ohren kitzelte. Immer wenn sie leicht die Augen öffnete, blendete sie das Sonnenlicht so stark, dass sie das Gefühl bekam, selbst im Himmel zu sein. Genau das waren die Momente in denen sie sich am Lebendigsten fühlte. Als sei sie frei von allem. Es gab nur sie und den Moment. Nichts anderes. In dem Moment, wo ihre Augen von dem hellen Licht erleuchtet wurden und sie nur noch weiß sah, stellte sie sich selbst in Weiß vor. Das weiße Brautkleid mit dem sie eines Tages vor Johnny stehen würde. Ihren Schwarm, ihrer Liebe. Sie redeten gelegentlich miteinander und immer, wenn er lächelte und dabei in ihre Augen sah, wurde sie ganz rot und verlegen. Früher hatte man sie immer mit einer roten Tomate verglichen, wenn sie rot wurde. Dabei wäre sie so gerne eine Erdbeere für ihn gewesen. Süß, verboten und unwiderstehlich. Keine Beilage. Sie wollte seine Braut sein. Und als sie so da lag, mitten im Garten, während sie von der Sonne wie vom Rampenlicht angestrahlt wurde, stellte sie sich vor, dass er das eines Tages auch so wollte. Ihr Herz klopfte wild bei der Vorstellung.

Der Regen floss an ihrer Fensterscheibe hinunter, während sie am Schreibtisch saß und über verflossene Liebe schrieb. Der Regen erinnerte sie an Hochwasser und an Menschen, die von den Wassermassen mitgerissen wurden. Die Welt drehte sich für sie weiter, würde aber dennoch nie mehr dieselbe für sie sein. Sie schloss kurz an diesem getrübten Tag die Augen und dachte kurz an die Vergangenheit. Johnny hatte sie für eine Andere verlassen. Sie wurde ersetzt und blieb schließlich alleine zurück. Dabei sagte er ihr einst, sie sei was Besonderes. Man könne Äpfel nicht mit Birnen vergleichen. Doch am Ende war sie genau das und keine Hauptspeise. Etwas, das man nur zwischendurch aß. Sie sah einen Regentropfen dabei zu, wie er die Fensterscheibe hinunterwanderte. Sich anschließend mit anderen Tropfen vermischte. Ihr Herz zog sich bei dem Gedanken an all das zusammen.

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