Schildkröten (2)

Es gibt den einen Moment an den man sich auf seiner Reise klar und deutlich erinnert, auch noch Jahre später, wenn man längst wieder Zuhause war. Mein Tag war, als ich den Schildkröten beim Schlüpfen zusah. Sie schlüpften in großer Stückzahl und es war der Moment, wo etwas gerade lebendig Gewordenes, bereits ihre erste, gefährliche Reise zum Meer hin, antreten mussten. Dieser Augenblick der Freude, wo die kleinen Schildkröten sich aus ihren Eiern kämpften, um schließlich das erste Mal das Licht der Welt zu erblicken, nur um danach ihren Weg über den schutzlosen Strand, wo sie jederzeit von umherfliegenden Vögeln gefressen werden konnten, in die endlose Weite des Meers zu verschwinden und ihre eigentliche Bestimmung anzutreten.

Der Anmut der Schildkröte ist einzigartig. Geht sie doch gemütlich am Strand umher, sofern sie einmal groß geworden ist und lässt sich Zeit mit allem. Sie hetzt nie durch das Leben. An diesem Tag am Strand lernte ich doch so einiges über das Leben selbst. Waren die meisten von uns doch alle kleine Babyschildkröten, die aus Angst von einem Ort zum Nächsten wechselten, während die weisen, älteren Schildkröten ruhig in sich selbst und ihrem Panzer wohnten. Manchmal fühlte ich mich wie eine Babyschildkröte, manchmal fühlte ich mich wie eine weise, alte Schildkröte. Hetzte auch ich manchmal durch das Leben. Doch an diesem Tag hielt ich inne und beobachtete diesen außergewöhnlichen, einzigartigen Anblick der Schildkrötengeburt. Vielleicht sollten wir alle ein bisschen mehr Sicherheit in unserem Panzer namens Leben genießen, um die schönen Augenblicke wahrzunehmen, statt dadurch zu Hetzen und an der Schönheit vorbeizulaufen. Ich für meinen Teil entschied mich an diesen Tag, wie eine anmutige Schildkröte innezuhalten, damit ich die schönen Momente meines Lebens nicht verpasste, nur weil ich von einem Augenblick zum Nächsten lief, ohne mich auch nur mal umzuschauen. Denn einer der wichtigsten Lektionen des Reisens ist, den Weg der Reise zu genießen, statt nur das bloße Ziel vor Augen zu haben. Ansonsten läuft man Gefahr, nur von einem Ort zum Nächsten zu gehen, ohne innezuhalten und die eigentliche Schönheit der Umgebung wahrzunehmen.

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