Weihnachten

Manchmal dauert es bis man das Ende einer Geschichte findet. Ich weiß noch, wie ich mein Ende fand. Als ich ihm damals auf dem Weihnachtsmarkt begegnete, hätte ich es nicht für möglich gehalten. Seine rote Nase leuchtete mir entgegen, während er mich mit einem Lächeln im Gesicht ansprach. Magisch war es vielleicht nicht, aber geschmeichelt fühlte ich mich durchaus. Die Magie kam erst später. Mit jedem ersten Kuss, jedem ersten Streit, jeder Versöhnung. Dinge, die einen zusammenschweißten. Er gab mir neben seiner Nummer, einen Glühwein aus. Dieser war rot und dunkel. Wie mein Lippenstift an dem Tag. Ich wusste schon immer, dass Männer eher dazu geneigt waren auf meine Lippen zu starren, wenn ich Lippenstift trug. Er dagegen schaute mir nur in die Augen. Als würde er dort etwas entdecken können, was er sonst nirgendwo fand. Und was auch immer er darin sah, es bewegte ihn dazu sich immer weiter mit mir zu treffen. Bis schließlich Weihnachten war. Und er mich seiner Familie vorstellen wollte. Ich spürte die Aufregung in jeder Faser meines Körpers; das leichte Zittern, wenn ich nur daran dachte. Manche Sachen gehen so schnell, wie ein Rausch, der an einen vorüberzieht ohne, dass man die Vergänglichkeit der Zeit bemerkte. Dieser Rausch war er. Was als kurzer Flirt nebenbei auf einem Weihnachtsmarkt begann, war nun das Ende der Kennenlerngeschichte. Gleichzeitig war es der Anfang eines gemeinsamen Lebens. Ob ich bereit für einen Anfang war, konnte ich gar nicht sagen, doch wenn ich an seine süße, rote Nase dachte, musste ich Lächeln. Und das reichte mir für den Anfang. Für unseren gemeinsamen Anfang.

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Eurovision Songcontest

Sie tanzte durch ihr Zimmer und träumte davon Keyboarderin beim Eurovision Songcontest zu werden. Für eine Sängerin fehlte ihr die Stimme. Außerdem gefiel ihr die Vorstellung eher im Hintergrund zu sein und trotzdem irgendwie gesehen zu werden. Sie wollte Musik mit ihrem Herzen schreiben; einen Song, der die Menschen bewegte und gleichzeitig unterhielt. Die Sache war nur: sie konnte kein Keyboard spielen. Noch nie in ihrem Leben klimperten ihre Finger über eine Taste. Sie war ahnungslos und doch brannte ein Feuer in ihr. Eine Melodie hatte sich in ihrem Kopf festgesetzt und sie wollte diese Melodie spielen können. Als kaufte sie sich ein Keyboard, um endlich die Melodie in ihrem Kopf spielen und sie der Welt zeigen zu können. Wie gerne würde sie ihrer Vorstellung echte Töne verleihen. Mehr als nur die vage Melodie in ihrem Kopf. Mit Erstaunen schaute sie sich jedes Jahr aufs Neue die Künstler beim Eurovision Songcontest an. Diesmal wünschte sie sich nur eine Sache: selbst dabei zu sein. Es fehlte nur ein gespieltes Stück und eine Sängerin, die ihrem Song eine Stimme verlieh. Und genau an dieser Stelle fing ihre Geschichte an. Sie fasste den Entschluss einen Eurovision-Song zu schreiben und eine Sängerin zu suchen, Schritt eins war die Bestellung eines Keyboards. Als es in ihrem Zimmer stand, glitten ihre Finger über die Tasten und spielten die ersten schrägen Töne. Da wusste sie, sie brauchte einen Lehrer. Und sie wusste genau, wen sie brauchte.

Ethans Haare hingen in seinem Gesicht, als würde er nicht gesehen werden wollen. Sie war sich nicht sicher, ob sie ihn wirklich fragen wollte. Doch er war der einzige Keyboardspieler, den sie kannte. Als sie ihn gerade ansprechen wollte, fing er an zu reden.
„Du brauchst einen Keyboardspieler?“, fragte er, während er sich lässig gegen die Wand lehnte. Sie schaute ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an.
„Woher weißt du das?“
 „Alle, die mich ansprechen brauchen früher oder später meine Keyboardkünste“, kommentierte er bloß achselzuckend.
„Okay, ich brauche also deine Keyboardkünste. Ich will es lernen. Kannst du es mir beibringen?“, fragte sie augenverdrehend. Sie war sich nicht sicher, ob es wirklich eine gute Idee war Ethan zu fragen. Er drehte sich zu ihr und sah sie mit einem breiten Grinsen an.
„Natürlich kann ich es dir beibringen. Freitag, 18 Uhr im Musikraum.“ Dann ging er den Schulflur hinunter und verschwand hinter der nächsten Ecke. Sie atmete erleichtert auf. Ihr Traum rückte, wenn auch nur ein kleines Stückchen mehr, in greifbare Nähe.

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