1. Brief an die Liebe meines Lebens

Liebe meines Lebens,

ich habe beschlossen dir von nun an regelmäßig zu schreiben. Ich weiß, wir kennen uns gerade nicht. Wenn doch, dann bist du gerade kein aktiver Bestandteil meines Lebens. Aber ich möchte dir meine Welt zeigen.

Gerade treffe ich wieder Leute aus meiner Schulzeit an. Diese liegt nun schon einige Jahre zurück. Vor vier Jahren habe ich meinen Abschluss gemacht. Ich erinnere mich noch daran. Es war ein Gefühl, als würden sich alle Türen öffnen. Irgendwie hatte ich erwartet, es würde sich einige Jahre später nicht mehr so anfühlen. Als würde ich mehr im Leben stehen. Stattdessen fühle ich mich immer noch wankelmütig, als könne ich jeden Tag die Richtung wechseln. Vor etwas mehr als ein Jahr, fühlte es sich noch anders an. Es war, als sei mein Lebensweg bereits in Stein gemeißelt. Als hätte ich keinerlei Handlungsspielraum. Ich hatte einen Freund und es schien mir, als würde ich den Rest meines Lebens mit ihm verbringen. Und da war das Dilemma: ich hatte das Gefühl, dass die Zeit meines Lebens bereits vorbei war und ich nur noch auf das Ende warte, welches einen früher oder später ereilte. Dabei hatte mein Leben meiner Alterszahl nach noch gar nicht richtig angefangen.

Erst als Schluss zwischen uns war, spürte ich es wieder. Als hätte mir jemand neues Leben eingehaucht. Der unaufhaltsame Transformationsprozess. Knapp ein Jahr später durchlebe ich ihn immer noch.

Ich habe drei Jahre in einem Stillstand verbracht und habe die Zeit genossen. Nachdem Schluss war, ist meine persönliche Entwicklung weitergegangen. Dazwischen hatte drei Jahre jemand den Pauseknopf gedrückt. Es war eine wundervolle Pause. Doch bin ich froh, nicht mein ganzes Leben in diesem Zustand verbracht zu haben.

Ich schaue auf mein letztes Jahr zurück, all die Dinge, die ich erlebt habe. Es war ein ganz besonderes Jahr in meinem Leben, auch wenn äußerlich nicht viel passiert ist. Mein innerer Prozess hingegen ist gewaltig und er geht unaufhörlich weiter.

Wenn ich den Menschen aus meiner Schulzeit begegne, sehe ich die Menschen in ihnen, die sie zu unserer gemeinsamen Schulzeit waren. Vermutlich sehen sie den gleichen Menschen in mir. Oberflächlich gesehen stimmt diese Annahme. Gräbt man auch nur eine Schicht tiefer erkennt man die Vielschichtigkeit und Variation, die sich mit den Jahren angesammelt hat. Ein Kern aus Erfahrungen, der uns zu einem weiseren, anderen Wesen gemacht hat. Wir sind nie der Mensch aus unserer Vergangenheit.

Lern mich in meiner Tiefe kennen und du wirst mein Inneres erkennen. Nicht mein Inneres aus meiner Vergangenheit. Sondern der einmalige Glanz der Gegenwart. Ein Geist wie ein leuchtender Stern, der mir den Weg weist.

In Liebe

thewomanandonly ©

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