5. Brief an die Liebe meines Lebens

Liebe meines Lebens,

ich warte auf dich. Ich möchte mit dir all die kleinen, scheinbar belanglosen Momente teilen, deren Süße dem Leben die Bedeutung geben, die ihm zusteht. Möchte dir all die Gedanken teilen, die ich über die schönen Dinge dieser Welt denke. Wenn ich durch den Schnee stapfe, liebe ich die gedämpfte Stille, das vorsichtige Glitzern, welches in meine Richtung funkelt, die sanften Flocken, die meine Nasenspitze kitzeln und sich in meinen Haaren verfangen. Wie gerne würde ich dir davon erzählen, wenn ich durch den stillen Wald gehe und neben meinen Füßen, auch meine Gedanken neue, verschlungene Pfade gehen. Ich würde dich gerne hören lassen, wie schön ein melodisches Orchesterstück sein kann, wenn es einen in seine eigene Geschichte gefangen nimmt und mitreißt. Es sind all diese kleinen Dinge, die ich dir gerne zeigen würde und ich würde dich fragen, ob du sie auch so siehst. Und ich würde dir gespannt zuhören, welche Dinge dir in dieser Welt auffallen. Welche kleinen, besonderen Sachen du besonders schön findest und wie du versuchst die Schönheit in deine Worte einzufangen.

Ich warte auf den Anfang einer Geschichte. Vielleicht stehe ich schon am Anfang, habe es aber noch gar nicht bemerkt. Die Schwelle, wo eine Geschichte zu Ende ist, während die andere gerade beginnt. Jede Geschichte fängt meist mit getrennten Wegen an, die sich schnell kreuzen. Und ich wünsche mir, dass ich endlich an dem Anfang der Geschichte stehe, an dem ich immer sein wollte. Die Geschichte, dessen Ende mich mit Glück erfüllt. Ich musste mich vor dieser Geschichte erst selbst verlieren, finden und lieben, um bereit für dich zu sein. Und jetzt warte ich. Gebe mich meiner Zeit hin und genieße sie, sehe die Dinge und nehme sie bewusst wahr, damit ich dir eines Tages von diesen Dingen einmal erzählen kann.

In Liebe

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3. Brief an die Liebe meines Lebens

Liebe meines Lebens,

bist du gläubig? Ich nicht. Was nicht heißen soll, dass ich verschlossen bin. Dinge, die man nicht Beweisen kann, sind eben rätselhaft. Ich habe meine Zweifel. Trotzdem schließe ich sie nicht aus.

Der Grund, warum ich aus reiner Neugier eine Rückführungsmediation gemacht habe. Danach sollte man sich an sein früheres Leben erinnern.

Meine Vorstellung von Leben und Tod sah in der letzten Zeit meines Lebens wie folgt aus: ich dachte, dass weder vor dem Leben etwas, noch danach etwas kommt. Ein großes Nichts, was einen zu verschlingen droht, sobald der letzte Atemzug einen verlässt. Genauso wie Aristoteles seinem Lehrer Platon widersprochen hatte, da Platon an eine wiedergeborene Seele glaubte, was Aristoteles wiederum bestritt, so glaubte ich nicht an Reinkarnation. Die Seele, die heutzutage eher als Bewusstsein bezeichnet wird, erschien mir vergänglich und nicht ewig.

Ob mein Unterbewusstsein diese Bilder kreiert hatte oder es sich dabei wirklich um mein früheres Leben handelte, weiß ich nicht. Aber bei der Rückführung kamen unterschiedliche Bilder auf. Wie ich als achtjähriger Junge an einem See stand und ein toter Fisch an das steinige Ufer herangespült wurde.

Danach erinnere ich mich an die wohl ausgeprägteste Erinnerung.

Eine Frau in einem roten Gewand mit einem halb zugebunden Kopftuch schaute mich in einer betriebsamen Gasse an. Ich nahm das Geschehen um mich herum nicht wirklich war, sondern nur die tiefen blauen Augen in ihrem hellen Gesicht. Eine Verbundenheit, die wohl die einprägsamste Erinnerung aus diesem Leben ist. Neben diesem äußerlichen Einfluss, spürte ich die ganze Zeit das Kratzen meines Bartes.

Während sie weiterging, blieb ich kurz stehen und schaute ihr nach. Sie schaute mir beim Weitergehen noch eine Weile in die Augen.

Eine andere Erinnerung war ein Raum über dessen Tür ein Kreuz hing. Ein todkranker Junge lag in einem Bett. Ich verabreichte ihm Medizin. Obwohl ich diesen Jungen heilen wollte, fühlte ich mich fehl am Platz. Als wollte ich noch was anderes machen, als das Leiden anderer Menschen zu sehen.

Ich schaute in einen Spiegel. Neben dem Bart, trug ich einen Hut mit Federn. Von der Seite sagte jemand meinen Namen. Albert. Es ist das Jahr 1639. Die Sprache ist weder Deutsch noch Englisch, sondern eine eigenartige Mischung. Niederländisch. Wer war diese Frau, die meinen Namen sagte? Vielleicht meine Frau? Aber nicht jene Frau aus der Gasse.

Das war es. Bei meiner Rückführung hatte ich zwei Kugeln gesehen. Jede stand für ein Leben. Ich hatte mich für diese Kugel entschieden. Vielleicht, weil es das Leben war, welches ich zuletzt gelebt hatte.

Ob es nur eine Geschichte meines Unterbewusstseins oder eine wirkliche Erinnerung war, spielt keine Rolle. Ich schließe keins von beidem aus. Trotzdem frage ich mich, wieso mich die Seele jener Frau so berührte. Es ist als wäre es genau die Seele, nach der meine Seele sucht. Sie ist mir in diesem Leben noch nicht begegnet.

Der Romantikerin in mir gefällt die Vorstellung, du könntest jene Seele sein. Zwei unvollständige Seelenteile, die sich in jedem neuen Leben wiederfinden müssen. Eine Liebe, die durch alle Zeiten hinweg existiert. Immer wieder auf der Suche nach dem anderen Teil. Zueinander geleitet vom Leben, ohne es zu wissen. Der eine Teil Yin, der andere Teil Yang. Jeder trägt einen Teil des anderen schon in sich.

Erinnerst du dich?

In Liebe

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