Die Reise

Der Beginn (1)

Am Beginn einer jeden Reise steht das Bedürfnis nach einer Veränderung. Die Tristesse in der sich der Mensch selbst gefangen hält, um ihr anschließend durch eine Reise zu entgehen.

So erging es mir, als ich mit siebenundzwanzig Jahren das erste Mal einen Flughafen von Innen betrachtete. Die laute Hektik um mich herum, verunsicherte mich. Ich starrte auf das Flugticket in meiner Hand. Seychellen. Ein jahrelanger Traum, der nun Wirklichkeit werden sollte. Für insgesamt einen Monat im Voraus, hatte ich ein Haus mit Meerblick und Infinity Pool gebucht. Jeden Tag würde ich von dort aufs Meer blicken und sehen wie die Sonne untergeht. Die Vorstellung zauberte mir ein Lächeln aufs Gesicht. Seit Jahren wünschte ich mir eine tiefgreifende Veränderung und ich hatte jeden Cent zusammengekratzt, doch es reichte nie aus. Erst als mein Buch ein internationaler Bestseller wurde und zahlreiche Preise gewann, konnte ich mir meinen Traum vom Leben im Paradies verwirklichen. Meine Familie und meine beste Freundin begleiteten mich bis zur Flughafenhalle, von dort aus musste ich alleine weiter gehen. Ich würde sie vermissen. Schließlich hatte ich vor länger als einen Monat zu bleiben, auch wenn ich zuerst nur für einen Monatsaufenthalt gemietet hatte. Doch mein Traum war es ein Jahr dort zu leben.

Ich spürte die aufkommende Nervosität, während ich auf das Terminal zuging. Die Aufregung des Unbekannten. So lange verbrachte ich mein Leben an ein und demselben Ort. Ich ließ nie meine Blasen zum Platzen bringen. Die Angst schien mir immer ein Schritt voraus zu sein.

Diesmal war es anders. Der Durst zu leben war zu groß. Ich wollte es in vollen Zügen genießen. Oder in vollen Flügen. Ich wusste nicht, ob ich Angst vor dem Fliegen hatte, schließlich war ich noch nie geflogen. Irgendwas in mir sagte, es würde mir Spaß machen. So verließ ich schließlich nach dem Check-In die Sicherheitsschleuse und trat meine erste richtige Reise an.

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Die Leiden der jungen Lotte

Wagner, Saskia
5,99 € Buch
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Beschreibung

Es geht um Lotte, die zeitlebens nicht ihre erste große Liebe vergessen kann. So entsteht eine Distanz zwischen ihr und der Welt um sie herum. Eine rhizomatische und teutonische Reise in die Gedankenwelt der jungen Lotte beginnt.

Das ganze Buch gibt es auf TWENTYSIX:

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Der Weg der Träume (Kurzgeschichte)

Wer bin ich? Diese Frage stellte sich Samantha immer wieder. Sie war noch jung, ging zur Schule. Trotzdem musste sie sich bereits entscheiden, was sie in Zukunft machen wollte. Du darfst bloß keinen Fehler machen, pflegte ihre Mutter zu sagen. Doch Samantha verunsicherte diese Aussage so sehr, dass sie sich nicht entscheiden konnte. Die Angst, das Falsche zu wählen und ihr Leben lang mit diesem Fehler zu leben war zu groß. Sie wollte sich am liebsten für gar nichts entscheiden.

Geld spielte in ihrer Familie eine entscheidende Rolle. Es war in ihrer Familie kaum vorhanden, sodass die höchste Priorität dort lag. Keiner konnte ihr sagen, wo sie glücklich wäre, weil gar niemand danach fragte. Den Erwartungen der anderen schien Samantha nie gerecht zu werden. In ihrer Jugend wäre sie deshalb fast im Heim gelandet, wenn ihre Großeltern sie nicht aufgenommen hätten.

Sie hatte sich auf dieser Welt noch nie wirklich willkommen gefühlt. Eher fühlte sie sich wie eine Außerirdische, die rein zufällig auf dem Planeten Erde gelandet war und jetzt zusehen musste, wie sie klarkommt.

Ihre Familienmitglieder haben bereits in ihrer Jugend all ihre Träume begraben, wenn sie denn überhaupt je welche besaßen. Sie hielten sich selbst im Käfig namens Leben gefangen ohne zu erkennen, dass das Gitter offenstand. Die Möglichkeit hinauszufliegen war immer da. Doch sie wurde nie von ihnen genutzt.

Samantha wollte nicht, wie sie werden. Trotzdem packte sie mit ihren sechszehn Jahren und der Gewissheit bald das Ende ihrer Schulzeit entgegenzusehen, eine gewisse Lebenspanik. Ihre Eltern gaben ihr zwar die die freie Wahl, doch sie durfte in ihren Augen keine falsche Entscheidung treffen, sonst verlor sie ohne zu zögern ihre Unterstützung. Und so traf sie bis zu ihrem Schulabschluss keine Entscheidung. Auch danach hangelte sie sich von einem Job zum Nächsten ohne je Erfüllung zu finden. Sie verdiente gut, musste aber ihre Eltern stets finanziell mittragen. Etwas eigenes konnte sie sich nicht leisten, denn so gut sie auch verdiente, es reichte nicht für eine eigene Wohnung. Lediglich ihr Studium war stets ihr wirklicher Wunsch gewesen. Tief in ihrem Inneren trug sie jedoch einen Herzenswunsch, den sie nur selten in ihrer Freizeit ausübte. Das Schreiben. Der Traum von einem eigenen Buch schien mit jeder Stunde, den sie damit verbrachte über die Runden zu kommen, in weiter Ferne. Von Geschreibsel kann doch keiner Leben. Ihre Mutter, die sie stets an die Liebe zu Büchern und Geschichten gebracht hatte, sah den Wert ihrer eigenen Tochter nicht und so beschloss die Tochter, es auf eigene Faust zu versuchen. Sie beendete ihren Job, weshalb sie von Zuhause rausgeschmissen wurde. Heute sitzt sie auf der immerselben Bank und erzählt den Menschen ihre Geschichten.

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Irgendwo in einer Welt voller Menschen

Irgendwo in einer Welt voller Menschen… so fing ihr Satz an, den sie sich überlegt hatte, wenn sie jemand ansprechen sollte. Emily wusste noch nicht, wie ihn beenden wollte, während sie am Rande der Tanzfläche in Mitte des Rubins stand. Wobei der Tanzschuppen wenig glamourös erschien, sondern mehr wie ein billiger Flohmarkt. Hier und da Bling-Bling, aber eigentlich nur alter, unbrauchbarer Schrott.

Was sie hierhin brachte, war eine Mischung aus Samstagsabendseinsamkeit und die Tatsache das all ihre Freundinnen bereits verplant oder in einer langweiligen Beziehung vergeben waren und damit verdrängten noch jung zu sein und gleich zu Bingo-Abende übergingen (wobei sie sich gleichzeitig fragte, welche alte Menschen heute noch Bingo spielten). Und so war sie nach einem Glas Wein und der tausendsten, deprimierenden Wiederholung von Bridget Jones auf die Idee gekommen ihre junge Zeit vollkommen auszuschöpfen und in einen Club zu gehen. Das Klientel in dem rotfarbenen Edelstein ließ zu wünschen übrig und so überlegte sich Emily bereits nach einem Glas Cola, die sie am Rande der Tanzfläche zu sich nahm, wieder nach Hause zu gehen.

Plötzlich stieß von der Seite ein großer Kerl mit leichtem Bart gegen sie. Sein Bier schwappte über ihr halbes Hemd, dass extra weiß war, um im Blaulicht leuchten zu dürfen. Sie sah ihn wütend an, holte dann aber einen tiefen Atemzug.

„Sorry.“ Der Mann hob entschuldigend seine Hand nach oben. Dann betrachtete er Emily näher.

„Ich bin übrigens Cal“, stellte er sich vor und reichte ihr die Hand, mit der er sich gerade noch entschuldigt hatte.

„Irgendwo in einer Welt voller Menschen…“ Noch bevor sie den Satz, dessen Ende sie immer noch nicht kannte, zu Ende ausführen konnte, unterbrach sie Cal.

„Hast du irgendwas genommen?“ Emily machte den Mund auf, doch Cal drehte sich bereits um und stürzte sich auf das nächste Objekt seiner Begierde, die er mit seinem Smalltalk nervte.

Emily stand wieder alleine in dem Club voller Menschen. Sie war schon jetzt genervt und wollte nicht mehr. Sie hatte gehofft, wenigstens die Musik würde sie zum Tanzen bringen. Doch statt guter Partymusik dröhnten die Boxen nur gleichbleibende Techno-Musik heraus. Sie stellte ihr halbleeres Glas auf den Tresen und drehte sich um. Was sie auch gesucht hatte, sie würde es garantiert nicht hier finden.

An der Garderobe gab sie ihre Marke ab und bekam ihre dicke Winterjacke zurückgegeben.

„Heeey!“ Ein offensichtliches laufendes Fass Bier rempelte sie von der Seite an und sprach sie an.

„Sorry“, zitierte sie den Typen von zuvor, dessen Namen sie schon wieder vergessen hatte und ging weg. Sie wusste, dass Höflichkeit anders geschrieben wurde, doch sie hatte nach diesem Abend kein Interesse mehr an oberflächlicher Höflichkeit.

Genervt stapfte sie in die kalte Dezembernacht heraus und ging durch die Menschen befüllten Straße einer Samstagnacht. Sie ging ohne Blickkontakt aufzunehmen an den Grüppchen vorbei. Ihr einziges Ziel war ihr Zuhause. Dafür musste sie zuerst die Bahnhaltestelle erreichen. Sie sah auf ihr Handy. Die Bahn würde ihn zehn Minuten da sein und sie brauchte noch fünf Minuten bis zur Bahnhaltestelle. Sie ging an zahlreichen Clubs und Bars vorbei, wobei bei Einigen laute Musik rausdröhnte. Ein Laden spielte ein wirklich gutes Lied ab. Wie gerne hätte sie an diesem Abend zu diesem Lied getanzt. Doch nun war sie bereits vor zwölf Uhr wieder auf den Weg nach Hause. Wie sie es auch drehte und wendete, sie wusste nicht, was Leute jedes Wochenende hier hintriebt außer pure Einsamkeit und Verzweiflung mit einem Hauch Verdrängung. Was versuchte sie zu verdrängen?

Diese Frage stellte sich Emily, während sich durch die Kälte der Nacht sichtbar eine Wolke vor ihrem Gesicht bildete und sich dann wieder in Luft auflöste. Bis zum nächsten Atemzug.

An der Bahnhaltestelle zeigte ihr die Tafel, die verbleibenden vier Minuten bis zum Ankommen ihrer Straßenbahn an. Ein Typ kam plötzlich auf sie zu.

„Hallo“, lächelte sie ihm freundlich zu. Sie wusste nicht, woher dieser Impuls kam. Der Typ sah sie an.

„Hallo“, lächelte er freundlich zurück und blieb einen Meter vor ihr stehen. Sein Grübchen fiel ihr selbst in dem unscheinbaren Nachtbeleuchtung auf. Sie hatte schon immer eine Schwäche für Lachgrübchen gehabt.

„Kann ich deine Nummer haben?“ Sie wunderte sich selbst darüber, sich das Fragen zu hören. Der Typ fing an breiter zu Grinsen.

„Natürlich“, sagte er. Sie hielt ihm ihr Handy hin, wo er nur noch seinen Kontakt eingegeben musste. Während er die Zahlenreihenfolge seiner Nummer eingab, merkte Emily wie hinter ihr die Straßenbahn einfuhr.

„Danke“, sagte Emily, als ihr der Unbekannte, dessen Name sie auf ihren Bildschirm leuchten sehen konnte, das Handy zurückgab. Die Bahn hinter ihr war bereits zum Stehen gekommen und sie stieg ein. Sie suchte sich einen Fensterplatz, der einen Blick auf seine Richtung freigab. Als die Bahn losfuhr, suchte sie die Bahnhaltestelle nach seinem verabschiedenden Blick ab. Aber er war bereits in der dunklen Nacht verschwunden. Eine Enttäuschung machte sich in ihrer Brust breit. Sie wusste nicht, dass dieser Enttäuschung, noch Bitterkeit weichen würde, wenn er sie morgen per Chat fragen würde, ob sie ihm Nacktbilder von sich schicken könnte. In diesem Augenblick wusste sie nur, dass schon jetzt ihre romantische Vorstellung der Realität gewichen war. Wie so viele Male zuvor. Irgendwo in einer Welt voller Menschen… Sie kannte noch immer nicht das Ende jenes Satzes.

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Aphorismen eines Tages

Die Welt stand für Jessy still, als sie in ihr morgendliches Spiegelbild schaute und dabei ihre grünstichigen Augen mit ihren goldbraunen Streifen intensiv betrachtete. Dabei waren es nicht ihre Augen, die sie so in den Bann zogen, sondern ihre eigenen Gedanken. Sie mäanderten wie ein Fluss ihren eigenen Weg durch ihren Kopf. Noch nie hatte sie sich über das Leben solche Gedanken gemacht, wie es an diesem Morgen der Fall war. Obwohl sie bereits ihre ganz normale Arbeitskleidung trug, wollte etwas in ihr sich diesem Umstand nicht anpassen. Der Weg zur Arbeit erschien ihr an diesem Tag falscher denn je, obgleich er sich nicht groß von ihren vorherigen Arbeitstagen unterscheiden würde. Etwas in ihr schrie sie an, nicht das Haus zu verlassen. Es war eine tiefe, innere Stimme, deren Präsenz ihr Spiegelbild nur erahnen konnte. Die grelle Lampe des fensterlosen Badezimmers ließ ihre Haut auf unnatürliche Weise blass erscheinen. Obwohl sie nicht krank war, konnte man sie in diesem Licht durchaus dafür halten. Sie überlegte zum Arzt zu gehen und sich krank schreiben zu lassen. Ihre frühere Therapeutin hatte ihr vor langer Zeit bereits empfohlen, solche Dinge zu unterlassen. Doch das lag weit in der Vergangenheit. Nun war sie sich nicht sicher, welchen Weg sie einschlagen sollte. Den Weg ihrer Gedanken oder den Weg der Vernunft.

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Piña Colada (10. Teil)

„If you like piña colada and gettin‘ caught in the rain. If you’re not into yoga. If you have half a brain…“, sangen die vier Frauen laut ins Mikro. Auf der kleinen Bühne im Highlight sahen sie aus, wie eine Girlsband, die nur darauf wartete entdeckt zu werden. Nur Sandys Gesang zerstörte mit ihrer hohen, schrillen Stimme das Bild.

Nachdem sie den Song über ein entfremdetes Ehepaar, die wieder zueinander finden, zu Ende gesungen hatten, setzten sie sich wieder auf ihren Stammplatz.

„Für unsere vier bezaubernden Gesangstalente, einmal Piña Colada aufs Haus.“ Mit einem Schwenk landete Juanitos Tablet auf ihrem Tisch und er verteilte nacheinander den Gratis Colada. Als letztes setzte er Naomi einen Cocktail hin und strahlte sie dabei an. Sie strahlte zurück.

„Lasst es euch schmecken“, sagte Juanito, bevor er sich vom Tisch entfernte.

„Was ist das denn zwischen euch?“, fragte Jules. Naomi winkte ab.

„Versucht erst gar nicht euer Schubladendenken auf mich anzuwenden.“ Doch die anderen blickten sich wohlwissend an. Jules erhob schließlich das Glas.

„So meine Lieben. Ich habe das Gefühl ein Lebensabschnitt geht vorbei und ein neuer Abschnitt beginnt. Darauf möchte ich einen Toast aussprechen.“ Sie räusperte sich, bevor sie weitersprach.

„Unsere einsame Romantikerin Sandy hat ihre Liebe gefunden, die sie in nicht allzu ferner Zukunft heiraten wird. Linda nimmt sich eine kurze Selbstfindungspause, bevor sie schließlich ebenfalls Max heiraten wird.“

„SO schnell möchte ich davon nicht sprechen“, wandte Linda ein.

„Du kannst mich doch nicht mitten in meiner bedeutenden Rede unterbrechen.“ Jules schüttelte den Kopf. „Wo war ich stehengeblieben? Ahja. Ich habe mich erfolgreich in der Kunstszene etabliert. Und Naomi ist und bleibt Naomi.“ Jules deutete zum Anstoßen an.

„Was soll das heiße, ich bleibe ich?“ Naomi blickte sie mit hochgezogenen Augenbrauen an.

„Wir stecken dich einfach nicht eine Schublade“, erklärte Jules. Daraufhin lachte Naomi herzlich und stieß mit an.

„Was würde ich nur ohne euch machen.“ Naomi wischte sich eine Träne aus dem Auge.

„Ich weiß, wir können nicht für immer diesen Moment festhalten, aber die Zeit mit euch bleibt einfach unvergesslich“, verkündete Sandy. Alle nickten einstimmig.

Sie wussten, diese Zeit war nicht für immer, doch sie würden jeden einzelnen Moment genießen, sodass sie diese immer im Gedächtnis behalten würden. Welcher Weg das Leben auch für die vier Freundinnen noch bereithielt, sie würden nie die Gespräche in der Bar vergessen und die verbindende Freundschaft, die sie durch diese Zeit begleitete.

THE END

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Caipirinha (9.Teil)

Sie nippten an ihren Gläsern. Schluck für Schluck leerten sie die Gläser mit braunen Zucker.

„Also ich weiß nicht“, überlegte Jules laut.

„Die Welt ist zwar verrückt, aber das ist noch kein Grund gleich über das Heiraten und Auswandern zu sprechen“, führte Jules weiter ihre Überlegung aus.  Sandys Eröffnung ihre Internetliebe in zwei Monaten zu heiraten und eventuell auf die iberische Halbinsel auszuwandern, stoß auf eine Protestwelle seitens Jules und Linda.

„Das ist dumm“, sagte Linda direkt zu Sandy. Sandy blickte zu Naomi.

„Und was sagst du dazu?“ Naomi zog ihre rechte, gerade Linie, die eine ihrer Augenbrauen bildete, hoch.

„Ich halte es zwar für genauso bescheuert, wie Linda und Jules, jedoch…“, sie hob ihren Finger hoch und machte eine Pause „bist du genau das. Unsere verrückte, bescheuerte Sandy, die wir alle lieben. Deshalb wollen wir alle nur eins: Dass du glücklich bist.“ Sandy fing an zu strahlen. Sie beugte sich zu Naomi und umarmte sie fest. Naomi riss die Augen auf, wie bei einem Überfall. Danach tätschelte sie ihre Schulter.

„Alles gut. Versprich mir nur, dass du auf dein Herz aufpasst und dich nicht verlierst. Und wenn doch, dann sind wir hier.“ Naomi deutete mit ihrer Hand um sich. Aus dem Augenwinkel konnte sie die feuchten Augen von Sandy erkennen.

„Fang mir jetzt nicht an zu weinen“, protestierte Naomi.

„Nein, nein“, wehrte Sandy mit tränenerstickte Stimme ab.

„Linda, was gibt es eigentlich Neues bei dir?“, wechselte Sandy das Thema. Alle schauten zu Linda rüber, die ganz rot wurde.

„In einer Woche kann ganz schön viel passieren.“ Sie pickte mit ihrem Strohhalm in den Zucker rein, der sich am Glasboden absetzte, bevor sie noch einen Schluck nahm. Die Blicke der Anderen ruhten auf ihr. Sie holte tief Luft.

„Also folgendes ist passiert: Ich habe mich am nächsten Tag mit Max getroffen, so wie ihr es mir auch geraten habt. Er hat mir gestanden, dass er sich in mich verliebt hat und mich versucht hat auf den Kopf zu bekommen, weil ich offensichtlich noch an Jack hänge. Doch mir das zu verschweigen, war das Schlimmste überhaupt. Er meinte, er gebe mir Zeit, darüber nachzudenken. Doch in dem Moment habe ich gemerkt, dass sich mein Herz schon längst entschieden hat. Also bin ich nach Hause gefahren und habe Jack gesagt, es sei endgültig vorbei.“

„Und was ist jetzt mit Max und dir?“ Jules konnte lange Pausen mit Inhaltslücken nicht leiden.

„Wir haben uns gestern getroffen. Ich habe gesagt, was ich für ihn empfinde, doch ich brauche die nächsten Wochen Zeit für mich selbst. Die letzte Zeit war zu viel und ich möchte mich nicht gleich von einer Beziehung in die Nächste stürzen. Er versteht das und gibt mir die Zeit, die ich brauche“, erzählte Linda ihre Geschichte zu Ende.

„Aber das hört sich nicht nach einem Happy End an“, merkte Sandy traurig an.

„Moment“, unterbrach sie Naomi und schaute erwartungsvoll Linda an. Diese verdrehte leicht die Augen.

„Vor euch kann man auch nichts geheim halten. Ja, wir haben uns am Ende noch geküsst“, gab Linda zu. Sandy klatschte in die Hände. Naomi lächelte nur.

„Kann ich euch noch was bringen?“, fragte Juanito, der an ihren Tisch trat und auf ihre leeren Gläser deutete. Seine Föhnfrisur saß perfekt bis auf die eine Strähne, die ihm ins Gesicht fiel. Vergeblich versuchte er sie weg zu pusten.  

„Ich denke für heute haben wir genug“, gab Jules von sich. Die anderen nickten zustimmend. Er fing an, die leeren Gläser aufzusammeln.

„Ihr seid nächste Woche auch da zum großen Karaoke Abend?“, fragte er in die Runde. Sofort schauten sie sich alle lächelnd an.

„Wie könnten wir uns das entgehen lassen“, verkündete Naomi. Als er fertig mit Abräumen war, wandte er sich zu Naomi.

„Und sehen wir uns gleich noch?“, fragte er sie. Die Anderen starrten Naomi an.

„Wie könnte ich mir das entgehen lassen“, lächelte sie ihm zu.

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Flying Kangaroo (8. Teil)

„Ich sehe fliegende Kängurus“, lachte Jules, während Juanito die Cocktails nacheinander vor sie auf den Tisch stellte.

„Bitte nicht noch mehr schlechte Sprüche“, protestierte Linda.

„Was hast du gegen meine Sprüche?“ Mit gespielter Empörung sah Jules in die Runde.

„Sagen wir einfach, wenn man eine Show à la die schlechtesten Sprüche der Welt veranstalten würde, wärst du die erstklassige Gewinnerin“, quittierte Naomi.

„Und bei einer Show, wer kriegt in vierundzwanzig Stunden die meisten Männer ins Bett, wärst du ganz vorne dabei“, konterte Jules.

„Touché.“ Naomi hob ergebend ihre Hände.

„Wie lief es eigentlich mit Max?“, fragte Sandy und schlürfte an ihrem Strohhalm. Linda pickte mit ihrem Strohhalm bloß in ihrem Glas rum.

„Als ich loswollte, um ihn zu treffen, stand Jack vor meiner Türe“, erklärte Linda. Sie starrte dabei gedankenverloren in ihr Glas.

„Und was hast du getan?“, fragte Naomi laut. Linda zuckte mit ihren Schultern zusammen.

„Mit ihm geschlafen“, gestand Linda. Sandy verschluckte sich.

„Also ich habe vorher noch Max abgesagt. Er wirkte nicht gerade begeistert. Ich habe mich mit ihm am nächsten Tag getroffen und die Sache geklärt. Er wollte mir eigentlich sagen, dass er mich gerne näher kennenlernen möchte.“ Linda schaute geradeaus in die Runde.

„Und was ist jetzt mit Jack und dir?“, hakte Naomi weiter nach.

„Wir wollen es noch einmal versuchen. Wobei ich mir nicht sicher bin, ob das wirklich eine gute Idee ist“, zögerte Linda.

„Das ist eine wirklich schlechte Idee“, kommentierte Jules. Alle starrten sie an.

„Naja, Linda hat Jack betrogen, weil er gefüllt nie Zuhause war. Und da er noch immer denselben Job hat, wird sich die Situation wohl nicht wirklich verbessern“, erklärte Jules.

„Ich muss erst einmal darüber nachdenken. Da könnte was dran sein. Er hat mir gestern erzählt, dass er nächsten Monat nach Australien muss und dann mindestens zwei Woche weg sein wird“, meinte Linda und nippt an ihrem Flying Kangaroo. Die Anderen blickten sich gegenseitig vielsagend an.

„Du wirst schon die richtige Entscheidung treffen“, stellte Sandy fest.

„Ich habe übrigens meine zwei ersten selbstgemalten Bilder verkauft“, verkündete Jules. Sandy klatschte begeistert in die Hände.

„Das sind schöne Neuigkeiten. Also geht es voran mit der selbstständigen Künstlerin?“

„Ja, ich habe sogar eine Galeristin gefunden, die an ein paar meiner Werke Interesse gezeigt hat.“ Jules strahlte über das ganze Gesicht. Etwas, dass sie bei ihrem alten Job nie gemacht hat.

„Darauf sollten wir nochmal anstoßen.“ Sandy erhob das Glas und ein vertrautes aneinander Klirren war zu hören.

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7. Brief an die Liebe meines Lebens

Liebe meines Lebens,

so oft habe ich schon gedacht, dich gefunden zu haben. So oft habe ich mich getäuscht. Zu oft. Vielleicht bist du nur eine Illusion, der Menschen hinterherrennen, um den Dingen einen Sinn zu geben. Ich würde keinen der Menschen aus meiner Vergangenheit diese Bezeichnung geben. Sehr viele Menschen sind Weggefährten, die einen Teil des Weges mit einem gehen, ohne den ganzen Weg zu bleiben. Es ist schön sie zu jenen Zeitpunkten an der Seite zu haben.

Ich weiß nicht, ob ich dich gefunden habe. Vielleicht bist du nicht mal eine Person. Ich versuche dich in eine Form zu bringen, doch vielleicht willst du das gar nicht. Vielleicht wird dir das nicht mal gerecht. Denn du bist vielleicht gar keine Person, sondern ein Gefühl. Und das macht mir nur noch größere Angst. Oft genug dachte ich zu lieben, aber am Ende habe ich mich gefragt, ob das eigentlich Liebe war. Ist Liebe Herzklopfen? Ist Liebe, wenn man sich warm und wohl fühlt? Ist Liebe die Fülle an Gedanken? Ich kenne die Antwort nicht und wünschte mir einfach, du könntest mir die Frage beantworten. Doch muss ich die Antwort selbst finden. Mich der Angst stellen, dass ich mich täuschen kann. Was dieses Gefühl auch ist, ich dachte immer, wenn es vor mir steht, würde ich es erkennen. Aber inzwischen fühle ich mich blind davor. Ich kann dir nicht sagen, was es ist, was du bist, nur, dass ich bin. Solange ich bin, werde ich suchen. Die Antwort, die vor mir verborgen bleibt. Und wer weiß, vielleicht bist du ja schon längst an meiner Seite, ohne dass ich es bemerkt habe.

In Liebe

thewomanandonly ©

Kurze Worte – Das Buch, welches ich nie schrieb

Das Buch, welches ich nie schrieb,
liegt vor mir,
wie ein Ballon, der an der Decke hängt,
die Luft wird entweichen,
die Leere ihn erfüllen.
Das Buch, welches ich nie schrieb,
in der Kälte und der Tristheit,
der Sommer ist noch zu weit,
als das ich ihn spüren könnt`.
Das Buch, welches ich nie schrieb,
ein Hauch von Glitzer,
der meine Augen blind macht.
Das Buch, welches ich nie schrieb,
als würde es auf einen warten.
Das Buch, welches ich nie schrieb.

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